Sonntag, 29. Juni 2014

Fotobuch und Nachtreffen


http://www.cewe-fotobuch.de/view/af3435698b35e56756434c6742a48375

Die Reiseeindrücke werden auf vielerlei Weise aufgearbeitet und intensiviert.

Deutschland und Israel - Ein schwieriges Verhältnis auf Entspannungskurs?


Deutschland und Israel - Ein schwieriges Verhältnis auf Entspannungskurs?

Wer nach Israel fährt muss sich immer wieder mit sehr kontroversen Themen und Fragen auseinandersetzen. Nach unserer Reise 2006 brach der Libanonkrieg aus, 2008 waren es die Aktionen im Zusammenhang mit den Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen, 2010 waren wir während der Flotilla-Affäre zu einem Gastbesuch in ShaarHanegev bei Sderot, dieses Mal standen wir auf dem Golan und unsere Reiseleiterin durfte nicht nach Jericho wegen der entführten israelischen Jugendlichen. Die Gewalt und Dramatik der Situation löst immer wieder Diskussionen aus? Was kann man tun? Wer ist Schuld an dieser Situation? Wie könnte der Konflikt gelöst werden? Welche Seite müsste nachgeben. Das ist schwierig und unbequem, aber daher rührt auch der Bildungswert, der dem Thema innewohnt. So sollen auch auf diesem Reiseblog Denkanstöße und Kontroversen ihren Platz finden und auch die Frage: Ist Kritik an Israel erlaubt? Hier einige Zitate aus Israel kurzgefasst (von Gisela Dachs) mit einem bei der Überschrift (Auflage Juli 2013, S. 118) hinzugefügten Fragezeichen. Der Download der aktuellen Broschüre von der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung empfiehlt sich allemal, auch der der Länderinformation bzw. des bald erscheinenden Länderberichts.

Bei Begegnungen zwischen Israelis und Deutschen stehen die israelische Gegenwart und die deutsche Vergangenheit immer mit im Raum. Das führe dazu, stellt Grischa Alroi-Arloser, israelischer Bundesgeschäftsführer der Deutsch-Israelischen Wirtschaftsvereinigung, fest, dass Israelis sich Deutschen gegenüber offener als umgekehrt verhalten, weil sie ihnen im
Normalfall „nur“ Vergangenes entgegenhalten können und sie sich bewusst sind, dass es keine persönliche Verantwortung der Nachgeborenen gibt. Deutsche hingegen sind auch einzelnen Israelis gegenüber zunehmend distanziert, weil sie ihnen kollektive Verantwortung für die Politik Israels
gegenüber den Palästinensern aufbürden, die in Deutschland oft auf Unverständnis stößt. Vier Flugstunden liegen zwischen Israel und Deutschland. Das kann wenig sein, wenn die Menschen oft überrascht feststellen, wie ähnlich ihr Lebensstil ist. Aber eben auch eine schwer überbrückbare Distanz, wenn es um die Lehren aus jener Vergangenheit geht, die beide Seiten so unweigerlich
miteinander verbindet. Denn wo die Deutschen „Nie wieder Krieg“ rufen, heißt es bei den Israelis: „Nie wieder schwach sein“. (S. 125)
... Der Betrachter von außen sieht Israel gerne durch die Brille seiner eigenen Identität und Vergangenheit. Deshalb reden Europäer, wenn sie den Nahen Osten meinen, häufig über sich selbst. Im Fall der Deutschen liegt es auf der Hand, dass dabei der Holocaust – ausgesprochen oder unausgesprochen – immer präsent ist. (S. 138)

... Die Kluft zwischen Betrachter und Betroffenen macht eine Umfrage der EU-Kommission von 2003 deutlich. Danach sahen immerhin 65 Prozent der Deutschen (und 59 Prozent aller Europäer) in Israel „eine Gefahr für den Weltfrieden“. Und einer Umfrage vom Januar 2009 zufolge, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Magazins „Stern“ unter anderem zum damals herrschenden Krieg im Gazastreifen durchführte, sagte fast die Hälfte (49 Prozent) der Befragten,
Israel sei ein aggressives Land. 59 Prozent erklärten, es verfolge seine Interessen ohne Rücksicht auf andere Länder, und nur 30 Prozent zeigten sich überzeugt, dass die israelische Regierung die Menschenrechte achte. Diese hohen Prozentzahlen lassen sich auf objektive Tatbestände allein nicht zurückführen, vielmehr spielen bei ihrem Zustandekommen Entlastung und Schuldabweisung eine große Rolle.(S. 139)


... Dass der jüdische Staat trotz seiner militärischen Macht nach wie vor um seine Existenz kämpft, wird ignoriert oder verdrängt. Aus sicherer Entfernung lassen sich die universalen humanistischen Grundsätze, die viele Deutsche nach dem Holocaust verinnerlicht zu haben glauben, leicht hochhalten und gegebenenfalls eben auch – oder gerade – gegen Israel wenden. (S. 140)

... Wie aber kommt es zu dieser unterschiedlichen Wahrnehmung in Israel einerseits und außerhalb Israels andererseits? Der Philosoph Mosche Halberthal erklärt dies mit der „Kluft zwischen den aktuellen Bildern etwa aus dem Gazakrieg Anfang 2009 und der geopolitischen Situation. Da steht ein Kamerateam des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira am Eingang zum Schifa-Krankenhaus in Gaza und zeigt, wie die Verwundeten hineingebracht werden. Dem ausländischen Fernsehzuschauer vermitteln solche Bilder den Eindruck, dass der Goliath Israel diese armen Leute zerschmettert. Die israelische Sicht ist eine ganz andere. Für die Israelis sind Hamas und Hisbollah, deren Raketen letztlich ganz Israel erreichen können, die Speerspitze einer viel größeren, unsichtbaren Bedrohung. Sie fühlen sich wie der winzige David gegenüber einem immensen muslimischen Goliath. Die Frage ist: Wer ist hier David und wer ist Goliath?“(S. 141)

... In Israel sorgt man sich, dass in Zukunft die Grenze zwischen legitimer Kritik an israelischer Politik und gezielten Delegitimierungsversuchen – vor allem auch aus intellektuellen linken Kreisen in Europa – verwischt werden könnte. Dazu gehören Boykottaufrufe gegen eine Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Gebiet, zum Teil sogar von israelischen Postzionisten mit unterstützt. Kritisiert wird da im Kern aber nicht nur die Besatzungspolitik, sondern der jüdische Staat als solcher ist im Visier.(S. 141)

... Aber darf man Israel als Deutscher denn überhaupt kritisieren? Diese Frage wird häufig gestellt. In vielen Fällen drückt sie echte Unsicherheit aus. Oft hat sie aber auch rhetorischen Charakter und
birgt den unterschwelligen, aber unbegründeten Vorwurf in sich, jeder kritische Einwand würde von israelischer Seite doch nur als Antisemitismus- Beweis abgetan. Denn in der Regel sind es vor allem Tonfall und Wortwahl, die über die Grenze zwischen legitimer Israel-Kritik und –offenem oder verstecktem – Antisemitismus bestimmen. (S. 142)


Was ist Antisemitismus?

In einer Debatte im Zusammenhang mit den Thesen von Shlomo Sand (Die Erfindung des jüdischen Volkes, 2010) verweist Stefan Meißner auf vier Kriterien, Gisela Dachs auf die drei Ds, die legitime, nicht anti-semitische Kritik an Israel beachten sollte und beruft sich dabei auf ein Dokument aus dem Bildungsangebot von YadVashem :

1. Israel muss mit dem gleichen Maß gemessen werden wie andere Staaten und Völker auch. (Doppelstandards)

2. Kritik an Israel darf keinen Zweifel am grundsätzlichen Existenzrecht Israels aufkommen lassen.  (Wie bei anderen Staaten auch.) (Delegitimierung)

3. Antijüdische Stereotype sind zu vermeiden. (Wie die Verwendung anderer Stereotype auch.) ( Dämonisierung)

4.  Eine Leugnung oder Relativierung des Holocausts verbietet sich.

(in Anlehnung an ein Dokument von YadVashem Antisemitismus FAQ  bzw. Israelische Botschaft Diffamierungskampagne S. 5-6)

Von einem Bekannten wurde ich auf diesen Link (Plakate zur Apartheid Week) hingewiesen. Die Seite bietet übrigens eine interessanet Ergänzung unserer allgemein verbreiteten Perspektive und nennt sich Elder of Zion (mehr unter FAQ).


Donnerstag, 19. Juni 2014

Was habe ich mitgebracht?

Blick auf Tel Aviv -Jaffo bei der Rückreise

Im Gegensatz zu einer reinen Urlaubsreise, wo häufig Cocktails, Pool, Erholung, Sonne, Palmen, Speisefolge und Meerblick im Mittelpunkt stehen, zielt eine Studienreise darauf ab, etwas aus der Fremde in das Eigene mitzunehmen. Ich habe mitgebracht, neben den vielen Dingen, die aus früheren Reisen schon und immer noch da sind:
  • Honig aus einem Kibbutz auf dem Golan (Habe ich den Siedlerboykott umgangen?)
  • eine Keramikschale aus der Brotvermehrungskirche (Es reicht für alle. Könnte.)
  • Weihnachtssterne aus Bethlehemer Olivenholz (Reichen nicht für alle, bringen aber Licht in dunkle Zeiten.)
  • Satar (Gewürz aus Thymian, Sesam und anderem zum Würzen von Brot und Salaten.)
  • eine Taboreiche (als Geschenk / Auftrag von Lüder, dessen Versuch 2012 immer noch mit den klimatischen und geologischen (saure Erde) Gegebenheiten des Hunsrück zu kämpfen hat. Er wagte einen zweiten Versuch. Wir hoffen der Rheingraben bietet bessere Bedingungen.)
  • eine Reliefkarte des Nahen Ostens mit einer geographischen eingängigeren Darstellung auch der Höhenunterschiede
  • gute Erfahrungen mit einer Reisegruppe von Individualisten (danke für alle Rückmeldungen, Denkimpulse, Gespräche, Unterstützung, wenn es mal geruckelt hat)
  • den Eindruck, dass Israel trotz aller Schwierigkeiten und unangenehmen Konflikte ein interessantes, trotz alles Stärke ein gefährdetes und trotz aller Zumutungen ein liebenswertes Land ist.
Lüders Tabor-Eiche, die ihren neuen Standort im Rheingraben findet

Montag, 16. Juni 2014

Montag, 16. Juni - Wir reisen zurück

Voller Eindrücke treten wir die Rückreise nach Deutschland an. Wir wissen, dass drei Teilnehmer der Gruppe für weitere Tage hier in Tel Aviv bleiben und heute Abend beim Public Viewing das Deutschlandspiel am Strand verfolgen können. Die israelische Öffentlichkeit ist in ihrer überwiegenden Mehrheit über Ressentiments gegen Deutschland hinweg, so Gisela Dachs, und sieht Deutschland als wichtigen Verbündeten. Am Strand von Tel Aviv gibt es heute Abend die Möglichkeit, unmittelbare Eindrücke dazu zu sammeln. Wir werden dann schon längst wieder zu Hause sein und können uns mit der Frage beschäftigen, welchen Erkenntniszuwachs uns die Reise zusätzlich zum Vergnügen gebracht hat. Unten der Campus der Uni von Tel Aviv, wo Erkenntnisgewinn groß geschrieben wird, z.B. unterrichtet dort auch Shlomo Sand, der mit sehr kontroversen Büchern Furore macht und damit das demokratische Recht -in globaler Sicht Privileg- der Forschungs- und Meinungsfreiheit nutzt, sowie weitere Eindrücke von Tel Aviv.
Uni Campus Tel Aviv





Sonntag, 15. Juni 2014

Sonntag, 15. Juni - Der Abschied naht

Früh morgens geht es los in Richtung Tel Aviv, wo uns der letzte Abschnitt unserer Reise - das moderne Israel- erwartet. Doch zuvor erhalten wir eine interessante Führung durch das Herzstück der israelischen Demokratie, die Knesset.

Gruppenbild vor der Menorah gegenüber dem Knesset-Gebäude in Jerusalem
Dem Knessetgebäude gegenüber steht eine bronzene Menorah als Symbol des Staates. Die Menorah wurde als Kultgegenstand im Tempel verwendet und geht im Gegensatz zum Davidstern auf biblische Zeiten zurück. Das andere Symbol, die Flagge, symbolisiert einen Gebetsmantel (Talit), den der gläubige Jude zum Gebet anlegt und in dem er auch begraben wird. Dies alles, obwohl sich ein großer Teil des israelischen Volkes nicht als religiös versteht. Immer wieder werden Fragen nach der Definition von Nation und den Kriterien von Religion und Tradition sowie den Bedingungen von Demokratie und dem Umgang mit Minderheiten gestellt. Die israelische Demokratie ist mit einer Sperrklausel von 2% (bis 1992 sogar nur 1%; seit 2014 jetzt 3,25 %) in dieser Hinsicht  demokratischer als das Grundgesetz mit 5 %, aber möglicherweise weniger stabil in der Regierungsbildung. Immerhin hält das Bundesverfassungsgericht eine Sperrklausel von 3 % bei den Europawahlen für verfassungswidrig (undemokratisch?), mit der Begründung dass das Europaparlament keine Regierung zu wählen hat. Dies zeigt, dass demokratische Prinzipien durchaus auch pragmatischen Überlegungen gegenüber offen sein müssen, um Bestand zu haben. Max Weber sprach von Verantwortungsethik und Gesinnungsethik.


Sitzungsraum eines Knessetausschusses
Das Knessset-Plenum
Wir werden in die Tagungsräume der Parlamentsausschüsse und des Plenums geführt. Besonders beeindruckt uns die Halle der Knesset, die mit Kunstwerken (Wandteppich sowie Wand- und Fußbodenmosaik) von Marc Chagall ausgestattet ist. "Der einzige Ort der Welt, wo Sie ungestraft über ein Chagall Mosaik gehen dürfen." so unser jugendlicher, deutschsprachiger Führer, der aus Frankfurt stammt, als Jude in der israelischen Armee gedient hat und nach seinem Studium der Politikwissenschaft Diplomat werden möchte. In der Halle wird uns die Unhabhängigkeitserklärung erläutert sowie die Tatsache, dass Israel bis heute nur Grundgesetze aber keine Verfassung hat. Immer wieder entzündet sich die Frage nach dem Grundverständnis Israels als jüdischer Staat.

Wandteppich von Marc Chagall in der Knesset-Halle
Nach einer etwa einstündigen Fahrt besuchen wir In Tel Aviv das Diaspora-Museum, das uns in die Alltagsgebräuche der jüdischen Minderheiten weltweit einführt und der Geschichte des jüdischen Volkes gewidmet ist. Selbstverständlich ist damit auch die Frage nach der Definition: Was ist jüdisch? verbunden.
Disapora-Museum: die römischen Truppen Plündern den zweiten Tempel
Diese Frage beantwortet mir Moshe Granot, der als Jugendlicher auf der Flucht vor Antisemitismus aus Rumänien nach Israel eingewandert ist. Er ließ sich vor Jahren mit dem jüdisch-orthodoxen Chemienobelpreisträger und Herausgeber der hebräischen Enzyklopädie Jeshaijahu Leibowitz auf eine wissenschaftlich-theologische Auseinandersetzung gegen die religiöse und für eine zionistische Begründung des Staates Israel ein. Er sieht Israel als einzigen und potentiell gefährdeten Zufluchtsort für unterdrückte jüdische Minderheiten in anderen Ländern.

Tel Aviv, Stadt der Wolkenkratzer am Mittelmeer: Azrieli Center:


Der Nachmittag bringt uns die Möglichkeit zum Entspannen, Baden im Meer oder Kennenlernen des alten Hafens von Tel Aviv, bevor wir uns aufmachen vom, arabischen Jaffa aus die Skyline der Altneustadt (so die Übersetzung von Tel Aviv in Anlehnung an Theodor Herzl Buch Altneuland) zu genießen.
Blick vom Hotel



Am Abend treffen wir die Zeit-Korrespondetin Gisela Dachs bei Raouf & Atina in Jaffa und speisen dazu exzellente Salate sowie Fisch nach Wahl.

Gisela Dachs gelingt es, den aktuellen Fall der Entführung dreier Jugendicher im Westjordanland in die Situation vor Ort seit der Bildung der Koalitionsregierung zwischen der Hamas und der Fatah vor wenigen Wochen einzuordnen. Journalistisch beschreibt sie die Fakten, dass nämlich die Entführung in der von Israel kontrollierten C-Zone stattfand, aber nun die Frage nach der Haltung und dem Einfluß des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas auf die Hamas sowie das Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte im Zentrum stehen. Sie beschreibt die komplexe Situation in Israel, indem sie darauf hinweißt, dass viele israelische Araber beispielsweise den Staat Israel ablehnen, weil sie sich als Bürger zweiter Klasse fühlen, gleichzeitig aber einer Zuordnung ihres Gebietes, wie es vom israelischen Außenminister Avigdor Lieberman gefordert wurde, zu einem neuen Palästinenserstatt ablehnen. Sie begründet die israelische Siedlungspolitik mit der innenpolitischen Lage und dem Zusammenhalt der Koalition und führt aus, dass häufig der Bau von Siedlungen sogar mehrfach verkündigt wird, um innenpolitisch zu punkten, was außenpolitisch aber desaströs wirkt. Langfristig sieht sie eine Gefahr in der Delegitimation Israels. Hätte sie drei Wünsche frei, würde sie sich eine sichere politische Grenze für Israel wünschen und darauf alle drei Wünsche konzentrieren. Damit sieht sie die Sicherheitsfrage nach wie vor als zentrale Frage des Konflikts an. Hätte Israel nicht eine dominierende Position in der Region, gäbe es kein Pardon und es würde von der Landkarte verschwinden. Dies ist eine Einschätzung, die allgemein auch von arabischer Seite so gesehen würde. Wieder einmal wird klar, dass einfache Aussagen der komplexen Lage nicht gerecht werden: Wird die Sicherheitsfrage als Vorwand für die Stärke der Armee, die Siedlungen und die Unterdrückung der Palästinenser verwendet oder schätzen unbetroffene Außenstehende, möglicherweise leichtfertig, die existentiell bedrohte Lage Israel -mutwillig oder naiv- falsch ein?
Gesprächsrunde mit der Zeit-Korrespondentin Gisela Dachs (unten 3. von links)

Samstag, 14. Juni - Am tiefsten Punkt der Erde

Auf dem Weg zum tiefsten Punkt der Erde (ca. 450 m unter dem Meeresspiegel) im Jordangraben besuchen wir das Museum des barmherzigen Samariters auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho. Nach unseren Erlebnissen auf dem Golan, wurden wir wieder Zeuge der aktuellen Situation vor Ort. Tati durfte uns nicht nach Jericho begleiten, weil in der Nacht drei israelischen Jugendliche entführt wurden, wahrscheinlich von einer islamistischen Organisation mit dem Zweck, Gefangene freizupressen. Da dürfen sich Bewohner Israels mit unbegrenzter Aufenthaltsgenehmigung (permanent residents) wie Tati, auch wenn sie als Reiseleiter eine Genehmigung zum Besuch der palästinensischen Autonomiegebiete haben, nicht in Gefahr bringen. Deutsche sind als Geiseln zum Glück nicht gefragt. Also fahren wir alleine weiter zum Berg der Versuchung, wo der Teufel Jesus alle materiallen Reichtümer der Welt angesichts der prosperierenden Oasenstadt in der Wüste anbot. Dort gibt es eine Seilbahn aus österreichischer Produktion, die uns bis kurz unterhalb des griechisch-orthodoxen Klosters bringt.
In der Gondel zum Berg der Versuchung


Wir schweben über den Tell (Schutthügel) der ältesten Stadt der Welt, der Oasenstadt Jericho. Oben genießen wir das historische Kloster, die herrliche Aussicht sowie ein Glas frisch gepressten Orangensaftes eingedenk des Bibelspruches: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, den Jesus der Versuchung durch den Satan entgegengesetzt haben soll.

Wir holen unsere Tati wieder an der Tankstelle vor Jericho ab und es geht zum Baden ans Tote Meer. Manche sind nach vier Studienreisen und viermal im Toten Meer baden schon richtige Profis - und haben trotzdem die Zeitung vergessen. Oder brauchen sie nicht mehr? Tatsächlich kann oder könnte man beim Baden (Schwimmen geht sowieso nicht) Zeitung lesen.




Nachdem einige von uns sich zugunsten der Schönheit mit Ahava-Produkten versorgt haben, geht es zurück nach Jerusalem. Dort endet der Abend geruhsam auf dem Dach des Hotels und bei der Verabschiedung von Monika in der Lobby. Wir wünschten uns, dass alle israelisch-palestinensischen Kooperationen so harmonisch erfolgreich verliefen wie die Planung und Durchführung unserer Reise von Monika und Tati, gerne auch mit orientalischen Balagan-Elementen. Hier beide mit unseren Schals als Gastgeschenken.




Freitag, 13. Juni 2014

Freitag, 13. Juni - Tag der Einkehr


Der heutige Tag stand im Zeichen des Verweilens: unsere arabisch-deutsche Reiseleiterin Monika ist nach Hause nach Bethlehem gefahren und Tati (mehr israelisch als deutsch trotz Pass ;-) ) ist mit einer anderen Gruppe unterwegs (Multitasking ist normal in Israel). Für uns stehen am Vormittag der Besuch von YadVashem bzw. das Herzl Museum auf dem Programm.  Beides Stätten, die sich intensiv mit der Vorgeschichte des Staates befassen.

Theodor Herzl und das moderne Israel
Herzl-Darsteller aus dem Museumsfilm
Im Herzl Museum erleben wir eine moderne, medientechnisch und künstlerisch vor allem Jugendliche sehr ansprechende Umsetzung der Geschichte des Zionismus und seines Gründers Theodor Herzl, der seine beiden Hauptwerke "Der Judenstaat" und "Altneuland" auf Deutsch geschrieben hat. Die Rahmenhandlung der interaktiven Museumsdarstellung ist ein Filmset mit einem jugendlichen Herzldarsteller, der in die Rolle hineinwächst, sowie Kulissen -Zionistenkongress 1897 in Basel- und spannende Filmsequenzen, die Identifikation und Einfühlung ermöglichen.Dabei wird uns klar, dass, wie im Cinema Jenin, jeder Film auch eine politische bzw. menschliche Aussage machen möchte und künstlerische Mittel dafür einsetzt, diese Aussage auch emotional zu verankern. Gefragt ist medienkompetenz zur Einordnung. Auf dem Gelände der Gedenkstätte besuchen wir das Grab Herzls sowie verschiedener ehemaliger Ministerpräsidenten und israelischer Politiker wie z.B. Golda Meir und Yitzhak Rabin. Menachim Begin, der Falke und Friedensunterzeichner mit Ägypten, legte als religöser Jude keinen Wert darauf, hier bestattet zu werden, sondern ruht auf dem Ölberg, über den der Messias in die Stadt einziehen soll. Der umstrittene Premier Ariel Sharon ist auf seiner Farm begraben genauso wie der erste Ministerpräsident Ben Gurion, der im Gegensatz zu Sharon (einerseits siedlerfreundlich, andererseits Räumung des Südlibanons und des Gazastreifens, ja ! so widersprüchlich ist die Realität) für eine Besiedelung des Negev eintrat und auch dort, in Sde Boker,  begraben sein wollte.

Grab von Jitzhak und Lea Rabin
Nachmittag und Abend stehen im Zeichen der freien Gestaltung, sowie der Kontemplation des Erlebten in Gesprächen. Kontemplative Ort in Jerusalem sind uns einige bekannt, unter anderem auch das American Colony Hotel in Ostjerusalem (siehe Bilder unten), mit seiner interessanten Geschichte und illustren Gästen wie dem Nahostbeauftragten und konvertierten Katholiken Tony Blair, das Gegenstück zum King David Hotel in Westjerusalem, aber auch der Garten des Österreichischen Hospizes (Pilgerhauses) in der Altstadt oder die St. Anna Kirche.

Das American Colony Hotel in Ostjerusalem

Bericht von Fritzi und Monika über den Yad Vashem-Besuch

Nicht nur die Jerusalem-“Frischlinge“ zieht es zur Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Auch Israel-Erfahrene wollen Eindrücke auffrischen und ganz im Sinne von Kurt Tucholskys Worten „Ein Land ist nicht nur, was und wie es handelt, es ist ebenso das, was es duldet.“ mit den Erfahrungen der vergangenen Tage verknüpfen.

Ausgestattet mit Audio-Guide und Lageplan durchlaufen wir die unterschiedlichen Museumsräume, die den verschiedenen Kapiteln des Holocaust gewidmet sind. Viele Objekte und Fotos erscheinen gerade uns Deutschen bekannt, immer wieder werden aber auch weniger geläufige Aspekte beleuchtet, etwa das Schicksal der Überlebenden oder auch der jüdische Widerstand in den von den Nazis besetzten Ländern. Der Gang durch dieses Kapitel der deutschen Geschichte macht betroffen.

„Befreit, aber nicht frei – das ist das Paradox der Juden.“ (Abraham Klausner, Rabbiner in der U.S.-Armee, Dachau 1945)

Mit diesem Gedanken suchen wir im Tal der Gemeinden unter Tausenden von Ortsnamen nach Vertrautem: Karlsruhe, Bruchsal, Tübingen, Speyer sind nur einige wenige Beispiele für die vielen jüdischen Gemeinden, die durch die Nationalsozialisten ausgelöscht wurden.

Die Fahrt mit der einzigen Jerusalemer Straßenbahnlinie führt uns zurück ins Stadtzentrum. Nach und nach finden sich die Mitglieder der Reisegruppe zu Kaffee, Apfelstrudel mit Schlagobers und Sachertorte im Österreichischen Hospiz ein und tauschen ihre Erlebnisse untereinander aus

So sehr der Garten auch zum Verweilen einlädt, zieht es uns weiter zur Sankt-Anna-Kirche am Löwentor unterhalb des Tempelbergs. Hinter hohen Mauern empfängt uns eine grüne Oase der Stille. Ganz ungewohnte Töne nur wenige Schritte weiter: ein deutscher und direkt im Anschluss ein koreanischer Kirchenchor erfüllen mit ihren Gesängen den Kirchenraum, der für seine Akustik mit vier Sekunden Nachhall berühmt ist.

Der Plan eines Rundgangs auf der Stadtmauer lässt sich leider am Freitag kurz vor Beginn des Sabbats nicht mehr realisieren. Dank der zunehmenden Orientierungssicherheit in den schmalen Gassen der Altstadt disponieren wir schnell um und eilen zur Grabeskirche. Wir erinnern uns an den Film „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen“, als wir kurz nacheinander liturgische Feiern von katholischen und orthodoxen Mönchen miterleben. (Friederike und Monika)

Leider war er Tag der Einkehr nicht nur durch Ruhe und Besinnung geprägt, sondern auch durch einen Taschdiebstahl, bei dem neben Bargeld auch der Pass und weitere Dokumente abhanden kamen. Zum Glück unterstützte uns Tati tat-i-kräftig bei der Polizei und der Beantragung neuer Dokumente bei der Deutschen Botschaft.

Donnerstag, 12. Juni 2014

Donnerstag, 12. Juni - Von Nablus nach Jerusalem

Blick vom Hotel auf die Stadt Nablus
Nach einer für manchen unruhigen Nacht - Muezin um halb vier!- gab es einen morgendlichen Rundgang durch die Altstatdt und den Markt von Nablus einschließlich einer 150 Jahre alten Seifenfabrik, die nach Saudiarabien, Jordanien und Italien exportiert. Um 11 Uhr hatten wir einen Termin bei der An Najah Universität in Nablus. Sie überraschte uns durch ihre Größe, Ausstattung und die Zahl der Studenten (20.000), von denen 57 % Frauen sind, in der Mehrheit mit Kopfbedeckung und einem selbstbewussten Umgang mit Formen und Farben.


Die Universität entwickelte sich aus der arabischen Kadoorie-Schule (siehe Israelstudienreise 2012), einer wohltätigen Stiftung des britisch-jüdischen Milliardärs Sir Ellis Kadoorie im 19. Jahrhundert. Heute wird die Uni vor allem mit Geldern aus den Ölstaaten unterstützt. Wir werden informiert von mehreren engagierten jungen Studenten, denen es vor allem darum ging, uns zu zeigen, dass sie aus der schwierigen Situation im besetzten Palästina das Beste machen wollen. Man war stolz darauf, dass wir uns für die Universität interessierten. Nebenbei, der bisherige Präsident Prof. Rami Hamdullah ist nun Regierungschef der neuen Palästinenseregierung, einer Koalition aus gemäßigter Fatah mit eine rMehrheit im Westjordanland und islamistischer Hamas, die 2006 im gaza-Streifen die Wahlen gewonnen hat.
Eingang zur An Najah Universität

An einer Ausfallstraße besuchten wir im dichten Verkehr die Oase der Kirche des Jakobsbrunnens. Hier ruhte Jakob auf der Flucht vor Esau und träumte von der Himmelsleiter. Jesus nahm Wasser von einer Samariterin, einer damals wie heute von den rechtgläubigen Juden verfehmten Gruppe, deren heiliger Berg Garizim in unmittelbarer Nähe liegt. Ein alter orthodoxer Mönch hütet die Stätte.
Teilnehmer beim Mittagessen
Nach einer vom Busfahrer organisierten Mittagspause mit Pitta, Pizza und Fladen, machten wir uns auf dem Weg über die grüne Grenze nach Ostjerusalem.  Der Übergang über den Checkpoint verlief reibungslos. Mauer und Sperrzaun erzeugen ungute Gefühle, es wird ihnen aber eine Reduzierung der Bombenanttentate zugeschrieben. Sie bleiben heftig umstritten. Nach Bezug unserer Zimmer im Golden Wall am Damaskustor, macht sich eine Gruppe gleich auf zu einem Besuch in der Grabeskirche. Auf dem Weg dorthin legen wir einen Halt im Österreichischen Hospiz bei Kaffee oder Cappuccino ein. Die Feiertagsruhe des muslimischen Freitags kehrt ein. Die meisten Geschäfte sind bereits geschlossen. (Inzwischen war aus der Zeitung zu erfahren, dass die Schließung der Geschäfte auch dem Protest gegen die gerichtlich nicht kontrollierte Verwaltungshaft mutmaßlicher palästinensischer Terrorverdächtiger durch israelische Sicherheitskräfte galt. Siehe: Süddeutsche. Eine Lektüre lohnt sich)  Es ist schön, fußläufig alle historischen und biblischen Stätten der Altstadt so leicht und schnell erreichen zu können. Nach dem Abendessen besuchen wir noch die Klagemauer (richtige, weil neutrale Bezeichnung: Western Wall) und das Viertel der Orthodoxen Mea Shearim. Immer wieder sind wir neugierig und dann erstaunt und auch irritiert von diesen so ganz anderen und für uns weitgehend unverständlichen Lebensformen. Dies erzeugt viele intensive Diskussionen auf dem Dach des Hotels im Anblick Goldener Mauern sowie eines Glases Rotweins, Weißweins oder Whiskeys (Wir sind da tolerant.)
Panorama über die Altstadt von Jerusalem vom dach des Österreichischen Hospizes

Grab innerhalb der Rotunde der Grabeskirche
Klagenauer, eigentlich Western Wall

Wie der Zufall oder das Glück es wollten erlebten wir noch das Lichterfest, das das direkt vor unserer Haustür gelegene Damaskustor in märchenhafte Farben tauchte. Ein gelungener Tag geht zu Ende.
Damaskustor im Lichterfest