Dienstag, 10. Juni 2014

Dienstag, 10. Juni - Von der Anthroposophie auf das Schlachtfeld

Renate & Ulrich berichten: Fremde und kräftige Vogelstimmen aus dem Garten des Pilgerhauses TABGHAH am Ufer des Sees Genezareth wecken uns an diesem Morgen. Nach dem Frühstück starten wir pünktlich um 09:30. Ein abwechslungsreiches Tagesprogramm wartet auch an diesem Tag auf uns.

Im Bus begrüßt uns Tati mit dem hebräischen bòker tov (Morgen schön = guten Morgen). Ein noch zögerliches bóker or (Morgen Licht) folgt von unserer Seite. Auf Arabisch: Sabach el Chair. Antwort: Sabach el Nur. Tati setzt den Sprachkurs fort und so müssen wir an diesem Morgen bis auf drei zählen: achat, steim und shalosh. Auch lernen wir den Ursprung einiger Wörter und Redewendungen kennen, z. B. Schmiere stehen“ von chmira = wachen; „Heirat“ von „Harei at ...“ = Siehe du … (Satzbeginn des Hochzeitsversprechens eines jüdischen Bräutigams).
Empfang an der HarDuf Waldorfschule durch Gilad Goldschmidt (3. von rechts)

Unser erstes Ziel ist die Walldorfschule in Harduf. Wir fahren in Richtung Haifa an Nazareth vorbei und passieren den Wasserspeicher movil azi, in den Trinkwasser aus dem See Genezereth gepumpt wird. Von dort wird Wasser in einem Netz von Wasserleitungen auf das ganze Land verteilt. Heute werden 20 % des Trinkwassers aus dem See Genezareth und 80 % aus Meerentsalzungsanlagen gewonnen. Wir passieren eine fruchtbare Ebene mit Obstanlagen und Sonnenblumenfeldern, vorbei an arabischen Dörfern, die von Bauern und ehemaligen Beduinen bewohnt werden. Das Verhältnis dieser beiden Gruppen ist auch heute noch nicht entspannt. Die Beduinen haben sich in der Vergangenheit auch aus dem Kulturland der Bauern bedient, was diese bis heute nicht vergessen haben.
Im Klassenzimmer der 7. Jahrgangsstufe

In der Walldorfschule Harduf begrüßt uns Gilad Goldshmidt (oben: dritter von rechts), ehemaliger Schulleiter der Schule, in deutscher Sprache. In der Schule werden ca. 600 Schüler vom Kindergarten bis zur 12. Klasse unterrichtet. Die einzügigen Klassen eins bis acht haben von 8 Uhr bis 14 Uhr Unterricht, die mehrzügige Oberstufe wird auch nachmittags unterrichtet. Auf einem Rundgang besuchen wir eine 2. Klasse, die Bibliothek der Oberstufe und die Werkstattgebäude. Voller Stolz zeigen uns Schülerinnen und Schüler ihre Arbeiten.
Drusen-Heiligtum Nebi Shueib

Das zweite Ziel des heutigen Tages ist das Drusen-Heiligtum Nebi Shueib. Ca. 130.000 Drusen leben in Israel, ca. eine Million in Jordanien, Syrien und dem Libanon. Die Drusen in Israel sind als eigenständige Religionsgemeinschaft anerkannt, sie verhalten sich dem Staat gegenüber loyal und leisten in der Regel Militärdienst in der der Armee. Die Religionsgemeinschaft ging aus dem Islam hervor, trotzdem sehen sich die Drusen nicht als Muslime sondern als Araber.
Im Gespräch mit dem Wächter des Heiligktums
Nach unserer Mittagspause in Kanaan (das Dorf der Hochzeit von Kana, wo Jesus nach einer Auseinandersetzung mit seiner Mutter Wasser in Wein verwandelte), wandert ein Teil der Gruppe über die Hörner von Hattin auf den Spuren von Saladin und den Kreuzfahrern, die 1187 hier die entscheidende Schlacht verloren. Bei den beiden Hügeln, die die Hörner von Hattim genannt werden, handelt es sich um die Überreste eines erlöschenen und zwerfallenen Vulkans. Von Oben hat man einen blick auf das Schlachtfeld der Kreuzritter. Auch Saladin (eigentlich Salahedin = Diener des Glaubens) dürfte von hier aus das Schlachtgeschehen verfolgt haben. Der Fantasie-Film "Königreich der Himmel" gibt eindrücklich die dramatische Situation wider. Bis heute ist der Begriff Kreuzritter traumatisch im historischen Bewusstsein der Region verankert und trägt das seine auch zu den Mißverständnissen zwischen den Kulturen bei.

Im Kibbuz Lavi trifft sich die Gruppe wieder. Über Tiberias fahren wir entlang des Sees Genezareth in unser Pilgerhaus Tabgha zurück und lassen den Tag mit einem Besuch der Brotvermehrungskirche oder einem Bad im See mit einem gemütlichen Abend auf der Terrasse des Pilgerhauses ausklingen.
(Renate & Ulrich)
Aufstieg auf die Hörner von Hattim





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